Johannes Gutenberg und die Stimmen

Johannes Gutenberg träumte von Stimmen, die über den Buchdruck diskutierten. Eine sah es als Segen, die andere als Fluch. Am Ende wurde er ermutigt, weiterzumachen.

Eines Nachts arbeitete Johannes Gutenberg bis spät in die Nacht an seiner Presse. Er war dabei, eine große Ausgabe der Bibel in lateinischer Sprache zu drucken. Wochenlang hatte er sich mit diesem großen Werk beschäftigt, und nun war er dabei, die letzten Blätter fertigzustellen. Er war erschöpft vor Müdigkeit, aber stolz auf das, was er vollbracht hatte. Er lehnte seinen Kopf auf das Gestell seiner Presse und gab sich ganz seinen Gedanken hin. Plötzlich hörte er aus den Reihen der Drucker zwei Stimmen. Sie sprachen in leisen, aber ernsten Tönen und schienen über Gutenberg und seine Erfindung zu sprechen.

"Glücklicher, glücklicher Mann!" sagte die erste Stimme, die sanft und süß und voller Ermutigung war. "Lasst ihn mit dem Werk fortfahren, das er begonnen hat. Bücher werden jetzt reichlich vorhanden und günstig zu haben sein. Der ärmste Mann kann sie kaufen. Jedes Kind wird lesen lernen. Die Worte der Weisen und Guten werden auf Tausenden von Blättern gedruckt und in die ganze Welt getragen werden. Sie werden in jedem Haushalt gelesen werden. Das Zeitalter der Unwissenheit wird zu Ende sein. Die Menschen werden lernen, selbst zu denken, zu wissen und zu handeln. Sie werden nicht länger die Sklaven von Königen sein. Und der Name Johannes Gutenberg, des Erfinders des Buchdrucks, wird bis ans Ende der Zeit in Erinnerung bleiben."

Dann sprach die andere Stimme. Es war eine strenge, starke Stimme, wenn auch nicht unangenehm, und sie sprach in einem warnenden Ton. "Johannes Gutenberg soll sich vor dem hüten, was er tut. Seine Erfindung wird sich eher als Fluch denn als Segen erweisen. Es ist wahr, dass Bücher reichlich und billig sein werden, aber es werden nicht alles gute Bücher sein. Auch die Worte des Vulgären und Niederträchtigen werden gedruckt werden. Sie werden in Millionen Haushalte getragen werden, um den Verstand der Kinder zu vergiften und Männer und Frauen dazu zu bringen, an der Wahrheit zu zweifeln und das Gute zu verachten. Johannes Gutenberg möge sich hüten, dass man sich an ihn als einen erinnert, der eher das Böse als das Gute in die Welt gebracht hat."

Und so fuhren die beiden Stimmen fort, von denen die eine behauptete, dass der Buchdruck ein Segen für die gesamte Menschheit sein würde, während die andere sagte, dass er sich mit Sicherheit als Fluch erweisen würde. Johannes Gutenberg fühlte sich sehr bedrängt. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er dachte an den großen Schaden, der durch den Druck schlechter Bücher angerichtet werden könnte - wie sie den Verstand der Unschuldigen verderben, wie sie die Leidenschaften der Bösen schüren würden. Plötzlich ergriff er einen schweren Hammer und begann, seine Presse in Stücke zu schlagen. "Man soll nicht von mir sagen, dass ich dazu beigetragen habe, die Welt schlechter zu machen", rief er. Doch während er wütend das zerstörte, was ihn so viel Mühe gekostet hatte, hörte er eine dritte Stimme. Sie schien aus der Presse selbst zu kommen und sprach in sanften, überzeugenden Tönen. "Denke noch einmal nach", sagte sie, "und handle nicht voreilig. Die besten Gaben Gottes können missbraucht werden, und doch sind sie gut. Die Kunst des Druckens wird die Welt erleuchten. Ihre Macht, die Menschheit zu segnen, wird tausendmal größer sein als ihre Macht, ihr zu schaden. Halte deine Hand, Johannes Gutenberg, und denke daran, dass du dazu beiträgst, die Menschen besser und nicht schlechter zu machen."

Der erhobene Hammer fiel ihm aus der Hand. Das Geräusch des Aufschlags auf dem Boden weckte ihn. Er rieb sich die Augen, sah sich um und fragte sich, ob er geträumt hatte

James Baldwin in "Thirty More Famous Stories Retold"; Übertragung: JW


Bibelstellen:
Sprüche 1,7; Psalm 119,105; Sprüche 16,9; Philipper 4,8; Römer 12,2; Jakobus 3,9-10